Mit viel Prominenz aus Politik und Medien startete am Donnerstag der 13. Europäische Mediengipfel in Lech am Arlberg. Neben Ex-Außenministerin Karin Kneissl und Ex-Bundeskanzler Christian Kern diskutierte auch der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg über radikale Entwicklungen und alte Feindbilder in einer „zerrissenen Welt“. „Ich freue mich über hochkarätige Gäste in Lech“, sagte Hermann Fercher, Direktor von Lech-Zürs Tourismus.
Für Karl-Theodor zu Guttenberg hat es US-Präsident Donald Trump „genial“ geschafft, den politischen Skandal durch Inflation zu entwerten. „Das führt dazu, dass die durchschnittliche Überlebenszeit im politischen Geschäft länger dauert, als es bei mir der Fall war“, sagte der ehemalige deutsche Minister, dessen politische Karriere 2011 endete.
Obwohl viele Entscheidungen des Präsidenten von außen erratisch erschienen, spiegle Trumps Handeln im Kern doch die „amerikanische Gemütslage“ wider. „Er bedient zumindest die gefühlte Hälfte der politischen Erwartung“, analysierte Guttenberg. Trotz aller Kritik erkenne man in den USA, dass Trump liefere.
„Wer wird die Wahl 2020 in den USA gewinnen?“, fragte Kai Diekmann, Ex-Chefredakteur der BILD den Ex-Minister. „Ich glaube, wir werden das blonde Glück noch weitere vier Jahre erleben“, prognostizierte dieser. Die Vorwahlen seien für amtierende Präsidenten immer ein Vorteil, da sich da die politischen Gegner selbst zerlegten. Selbst ein Impeachment-Verfahren gegen Trump könne die Stimmung der US-Wählerschaft nicht „revolutionär umkrempeln“. „Da kann ich nur sagen: träumt weiter“, resümierte der ehemalige Minister.
„Gerade gegen die USA als Stimme der Vernunft aufzutreten wäre wünschenswert“, forderte die Israel-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid. Die EU mache sich gerade im Nahen Osten viel zu klein und werde als Player nicht mehr wahrgenommen. Auch Russland nehme die EU kaum mehr ernst: „Solange man nicht klar definiert, dass man wirtschaftliche Zusammenarbeit unter der Hoffnung auf demokratische Verhältnisse in Russland weiterführt, ist der Westen nicht glaubwürdig“, so die russische Berlin-Korrespondentin Anna Rose.
Der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) sieht den Grund für die lähmende Zerrissenheit der EU in uralten kulturellen und gesellschaftlichen politischen Konflikten, die noch nicht beigelegt seien. „Wir müssen alles dafür tun, dass die Kommission zum Sprecher des Kontinents auf globaler Ebene wird. Wenn wir das nicht schaffen, wird der globale Fokus nach Asien wandern“, sagte Karas.
„Inwiefern kann das Regime in Peking die Entwicklungen in Hong Kong dulden?“, fragte Pascal Thibaut, Deutschland-Korrespondent von Radio France Internationale. „Chinas Regierung wartet einfach, bis die internationale Gemeinschaft das Interesse an dem Thema verliert. Dann machen sie weiter, weil das eine interne Sache ist“, erklärte Qian Sun vom größten privaten Fernsehsender Chinas „Phoenix TV“.
„Dieses Europa ist mehr denn je gefragt“, sagte Hans-Peter Siebenhaar, Präsident des Verbands der Auslandspresse Wien. Er empfahl dem Publikum Karin Kneissls Buch „Die zersplitterte Welt“. „Es ist aktueller, als manche glauben wollen“, betonte er. Kneissl warnte davor, dass auch internationale Organisationen wie die NATO oder die OSZE jederzeit zerbrechen könnten. Bereits in der Vergangenheit sei die gemeinsame Außenpolitik aufgrund „unterschiedlicher Interessenlagen“ zerbrochen.
Für Christian Kern geht es in der Politik hauptsächlich um Äußerlichkeiten: „Am Anfang meiner politischen Karriere dachte ich, Politik sei 95 Prozent Inszenierung. Tatsächlich sind es wohl 99 Prozent.“ Leider gehe dadurch „viel gestalterisches Potenzial“ verloren. „Die Dekade 2010 kann man mit dem Schlüsselbegriff ‚alternative Facts‘ zusammenfassen“, diagnostizierte Kern. Stattdessen sei der Zweifel zum bestimmenden Motiv geworden. „Es gibt kein Vertrauen mehr, das zerstört unsere Institutionen, aber die autokratischen Systeme sind davon nicht betroffen“, warnte er.
„Das Problem ist nicht Chinas Strategie, sondern dass die EU keine hat“, bemerkte Kern, der auch Präsident des Unternehmerverbands CEATEC (China Europe Association for Technology and Econonmic Cooperation) ist. Um an der Spitze zu bleiben, brauche die EU „große Leuchtturmprojekte“. „Wir geben in der EU mehr für Kühe als für Microchips aus. Das ist in unserer Zeit problematisch“, unterstrich er. Trotz allem werde die EU wirtschaftlich auch in 15 Jahren global weiterhin die „Nummer eins“ sein.
Seine politische Arbeit in der SPÖ vermisst Kern nicht: „Ich bin gerade in einer Phase, in der der Schmerz gegen null geht“, bemerkte er. „Du kannst es nicht so dumm denken, wie es dann kommt“, berichtete er in Bezug auf seine politischen Erfahrungen. „Ich mache mir über die SPÖ keine Sorgen“, fuhr er fort. Die Mitgliederbasis, die die Vision einer besseren Welt verbinde, werde sich wieder erholen. „Da gibt’s einen sehr intakten Kern“, schloss der Ex-Kanzler.
Im Rahmen des Mediengipfels fand in Lech auch die Liveübertragung der „Runde der ChefredakteurInnen“ auf ORF III statt. Ingrid Thurnher leitete die Diskussion mit Rainer Nowak (Die Presse), Gerold Riedmann (Vorarlberger Nachrichten), Paul Ronzheimer (BILD), Eva Linsinger (Profil) und Petra Stuiber (Der Standard).
Quelle: Lech-Zürs Tourismus