Aus den kleinsten Fragmenten sind zwei Meter große Korallen geworden
Korallenriffe zählen zu den vielfältigsten und zugleich vom Klimawandel am stärksten bedrohten Ökosystemen der Welt. Engagierte Meeresschützer, Forscher und Aktivisten stemmen sich auf Mallorca gegen das Sterben der Riffe: Sie pflegen und vermehren im Palma Aquarium Europas größte Sammlung lebender Korallen mit mehr als 70 verschiedenen Arten. Ein Blick hinter die Kulissen einer marinen „Kinderstation“.
Seit 30 Jahren schlägt Roman Gradels Herz für Korallen: Der Chefkurator am Palma Aquarium auf Mallorca ist Experte für den Schutz mariner Lebensformen. Seit der Eröffnung Anfang 2007 werden dort Korallen gezüchtet – ursprünglich, um die Ausstattung des damals noch jungen Aquariums aus eigenen Ressourcen bestreiten zu können: „Alle Korallen stammen aus unserer eigenen Farm, wo wir sowohl mediterrane als auch tropische Korallen aus dem Indischen, Pazifischen und Atlantischen Ozean züchten“, erzählt Gradel.
Nachwuchs für die Forschung
Mit dem umfangreichen Fachwissen, das dafür notwendig ist, wuchs die Motivation, auf Mallorca auch zu forschen. Mittlerweile arbeitet das Kuratoren-Team an verschiedenen Projekten, die sich mit der Fragmentierung, der Reproduktion und dem Wachstum von Korallen befassen. Dazu wurde eine eigene Korallenfarm auf die Beine gestellt, die laufend ausgebaut wird. Dort werden Korallenfragmente aus den eigenen Ausstellungsbecken gesammelt und in einen Raum gegeben, in dem sie wachsen und sich vermehren können. „Für die Nachzucht wird der Koralle sorgfältig und präzise ein Stück entnommen und auf eine münzgroße Basis geklebt, die Fragmentstecker genannt wird. Diese Konstruktionen werden dann auf Tabletts in speziellen Becken platziert, in denen sie alles bekommen, was sie für ein gesundes Wachstum brauchen“, erklärt Gradel. So haben die Aquaristen in den letzten Jahren einen großen Bestand an Korallen aufgebaut, der es nicht nur ermöglicht, das Wissen zu vertiefen, sondern auch weitere Projekte anzugehen und zur Erhaltung dieser bedrohten Spezies beizutragen.
Größte Sammlung von Mittelmeer-Korallen
In der Korallenaufzuchtstation des Palma Aquariums werden aktuell mehr als 2.000 Korallen gepflegt. Die ältesten Exemplare sind inzwischen knapp 20 Jahre alt, bei Inbetriebnahme des Aquariums waren sie kaum größer als faustgroße Fragmente. Laut Gradel sind heute einige auf die Größe von zwei Metern angewachsen, so dass ihnen wiederum vorsichtig Fragmente entnommen werden können, um die nächste Generation heranwachsen zu lassen. Heute beherbergt das Palma Aquarium mit mehr als 70 verschiedenen Arten die größte Sammlung lebender Korallen in Europa, die die Besucher entlang ihrer Tour in den verschiedenen Wassertanks der mediterranen und tropischen Zonen beobachten können. Dabei ist es das einzige Aquarium der Welt, das mehr als zwei Dutzend Becken ausschließlich den Korallen des Mittelmeers gewidmet hat. „Tatsächlich wissen nur wenige Menschen, dass auch im Mittelmeer diverse Korallenarten leben. Deshalb hat es sich das Palma Aquarium zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht, die Besucher gerade für deren Schönheit und Einzigartigkeit zu begeistern“, so Gradel. Neben den großen Korallenaufzuchtstationen beeindruckt das Aquarium auch mit den größten Haifischbecken, die es europaweit zu finden gibt.
Backstage-Tour lässt hinter die Kulissen blicken
Im Rahmen seiner Stiftung „Fundacion Palma Aquarium“ arbeitet das Palma Aquarium mit eigenen Rettungs-, Forschungs- und Zuchtprogrammen aktiv am Auftrag mit, marine Lebensräume zu bewahren und für die Zukunft zu erhalten. Auch diese Bereiche sind teilweise für die Besucher zugänglich, um ihnen einen Einblick in die wichtige Arbeit des Aquariums zu geben: Meeresbiologen und Korallen-Experten geleiten kleine Gruppen im Rahmen der Backstage-Tour bis in die „Kinderstube“ der Korallenbänke von morgen – und erhalten dabei neben sensorischen Erfahrungen auch ausführliche Informationen über die Biologie der Korallen sowie ihre Bedeutung für die Ökologie mariner Lebensräume. Besonders die liebevoll angelegten Experimentierstationen laden neugierige Entdecker – ob groß oder klein – dazu ein, sich durch gezieltes Mitmachen Wissen anzueignen. Und nicht nur die Welt der Korallen gibt es dort zu entdecken: vom Großen Katzenhai über die Balearischen Seepferdchen bis hin zu den Meeresschildkröten – Besucher bekommen einen einzigartigen Einblick in die zahlreichen Naturschutzprojekte, denen sich die Expertenteams seit vielen Jahren unermüdlich widmen.
Urlauber, die nur kurz auf Mallorca verweilen und sich deshalb beispielsweise nicht im Rahmen von Freiwilligenprogrammen vor Ort einbringen können, leisten mit ihrem Besuch dennoch einen wichtigen Beitrag zum Fortbestehen des Aquariums sowie seiner Rettungs- und Zuchtaktivitäten: „Unsere Naturschutzprogramme werden von vielen Freiwilligen unterstützt, die uns bei der Säuberung der Strände und der Rettung von verletzten Meerestieren behilflich sind. Doch auch jeder zahlende Gast trägt dazu bei, denn ein Teil des Eintrittspreises fließt direkt in die Palma Aquarium Stiftung“, ergänzt Gradel. Ob durch Aufklärung, Forschung oder Nachzucht – mit dem Palma Aquarium lassen sich die mallorquinische Insel und ihre faszinierende Unterwasserwelt auf ganz besondere Weise erleben.