Stefan Höhm (sh): So überraschend schnell, wie die 150 Millionen im Raume standen, so schnell war die deutsche Politik dann auch mit ihren Ansichten zur Zukunft von Air Berlin auf dem Tableau. Zuletzt forderte Bayerns Ministerpräsident Seehofer, dass man an die heimische Wirtschaft – sprich Lufthansa – denken müsse. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte „einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr“, weswegen es „dringend geboten“ sei, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen könne. Mit ähnlichen – und bezogen auf den „deutschen Champion“ sogar identischen – Worten äußerte sich Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Hier muss man sich aber ernsthaft fragen, was damit gemeint sein soll. Als Marktführer beförderte Lufthansa in, von und nach Deutschland im letzten Jahr knapp 110 Millionen Passagiere, auf Platz 2 kam Air Berlin mit 29 Millionen vor TUIfly mit 8,2 Millionen.
Mit der Übernahme des auf vielen Strecken oft einzigen Mitwettbewerbers würde der Kranich eine absolut marktbeherrschende Stellung einnehmen. Steigende Preise wären nach der kapitalistischen Grundlogik die sichere Folge. Dann würde aus der bitteren Pille für die Deutschen bald ein bitterer Medikamentencocktail werden. Schon jetzt, wo die Buchungszahlen bei Air Berlin in den Keller rauschen, reagieren die Wettbewerber und allen voran die Lufthansa mit erhöhten Preisen.
Deshalb ist es erfreulich, dass Kartellhüter darauf hinwiesen, bei den anstehenden Air-Berlin-Deals „sehr genau“ hinschauen zu wollen. Ryanair hat indes Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt und spricht von einem „Komplott“ zwischen Bundesregierung, Lufthansa und Air Berlin. Niki Lauda, Luftfahrtunternehmer und Gründer der Air Berlin-Tochter Niki, kritisierte, dass die Lufthansa die Politik ins Boot geholt habe, um den Wettbewerb einzuschränken, während der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl sagte, dass „Thomas Winkelmann als Air Berlin-Chef anscheinend immer noch die Interessen seines früheren Arbeitgebers Lufthansa vertrete“.
Bei diesen Äußerungen muss man natürlich im Auge behalten, dass es sich um der Lufthansa nicht wohlgesonnen Wettbewerber handelt. Am Wochenende etwa verkündete Lauda, sich am 29. August mit den Insolvenzverwaltern zu treffen, um die Möglichkeiten eines Rückkaufs von „Niki“ auszuloten.
Im Kern aber haben sie recht: die ganze Sache hat einfach einen faden Beigeschmack und es gibt – ohne die nationale Brille – keinen Grund, warum ausgerechnet die deutsche Lufthansa hier besonders groß zum Zuge kommen sollte. Deshalb ist es zu begrüßen, dass weitere Namen genannt wurden, wenn Air Berlin aufgeteilt wird: Easyjet, Condor, TUIfly. Ebenso erfreulich ist es, dass der Gläubigerausschuss den Interessenten am letzten Mittwoch mehr Zeit einräumte und von Schnellschüssen in Sachen Aufteilung erst einmal absah. Man kann nur hoffen, dass es bei dieser Haltung bleibt, auch wenn es schon absehbar ist, dass seitens Politik im Hinblick auf die tausenden Arbeitsplätze Druck aufgebaut werden könnte. Air Berlin-Chef Winkelmann blies schon in dieses Horn, wonach er zuversichtlich sei, einen „Großteil der Arbeitsplätze“ zu erhalten, man sich aber beeilen müsse, da sonst „Kundenvertrauen“ verloren gehe. Nach dem zuletzt monatelangen Chaos geht der Manager also davon aus, dass es dieses tatsächlich noch gibt. Gleichzeitig wurde publik, dass Winkelmann – unkündbar – bis Januar 2021 ein jährliches Grundgehalt von 950.000 € bezieht, dass sich durch Boni verdoppeln kann. Im Gegensatz zur Belegschaft sind seine Einnahmen gesichert: es gibt eine entsprechende Bankbürgschaft.