Das Tor in die Freiheit: Die Underground Railroad an der Great River Road in Illinois
Für versklavte Menschen auf der Flucht waren die Orte am Mississippi die erste sichere Anlaufstation. Geführte Touren halten die Geschichte auch heute lebendig.
Der mächtige Mississippi war für viele das letzte einer ganzen Reihe von Hindernissen, die es auf dem Weg in die Freiheit zu überwinden galt: Während die Sklaverei im Staat Missouri bis zum Jahr 1856 legal blieb, war sie auf der anderen Flussseite in Illinois schon knapp 20 Jahre zuvor offiziell abgeschafft worden und davor seit Jahrzehnten hoch umstritten. Die Städte am Ufer waren somit prädestiniert für das Fluchtnetzwerk „Underground Railroad“. Dabei handelte es sich nicht um eine Eisenbahn im eigentlichen Sinne, sondern einen losen Zusammenschluss von Gegnern der Sklaverei, die mit Hilfe geheimer Unterkünfte, Fluchtrouten und Kommunikationsmitteln in rund 80 Jahren mehr als 100.000 Sklaven den Weg in den sicheren Norden organisierten.
Ein Ort voll lebendiger Geschichte
Wer sich der Stadt Alton im Süden von Illinois vom Fluss aus nähert, sieht das Elijah P. Lovejoy Monument schon von weitem. Es gilt als größtes Denkmal Illinois` und ist Elijah Parish Lovejoy gewidmet, einem presbyterianischen Priester, Journalisten und entschiedenen Gegner der Sklaverei. Nachdem er zunächst in St. Louis/Missouri unter anderem in Editorialen seine Meinung vehement vertrat, zog er nach mehreren Angriffen auf seine Zeitung ins nahegelegene Alton auf der anderen Flussseite. Mit der neu gegründeten Zeitung Alton Observer setzte er den Kampf für seine Überzeugung fort, bis er 1837 bei einem weiteren bewaffneten Angriff auf seine Druckmaschinen ums Leben kam. Abraham Lincoln bezeichnete seinen „tragischen Tod für die Freiheit“ als „wichtigstes Einzelereignis, das jemals in der Neuen Welt geschah“. Einigen galt der Schusswechsel sogar als erster gewaltsamer Akt im Vorfeld des späteren US-Bürgerkriegs. Der Friedhof am Fuße des mehr als 28 Meter hohen Denkmals ist auch die letzte Ruhestätte Lovejoys.
Zahlreiche weitere Orte in Alton sowie dem benachbarten Godfrey sind bis heute Zeuge der Geschehnisse. So können mit der Rocky Fork Church, den Enos Apartments, der Cheney Mansion und weiteren Gebäuden wichtige Stationen der „Underground Railroad“ besucht werden, die mit unterirdischen Tunneln und Räumen sichere Unterkünfte boten. Und auch Abraham Lincoln selbst hinterließ Spuren in Alton – eine der berühmten Lincoln-Douglas-Debatten 1858 im Rennen um die Vertretung von Illinois im US-Senat fand in Alton statt. Ein Denkmal in Alton erinnert heute an das berühmte Rededuell, das damals national Beachtung fand und die heutige politische Debattenkultur der USA mitprägte. Senator Lyman Trumbull, der den 13. Verfassungszusatz zur Abschaffung der Sklaverei maßgeblich mitformulierte, stammte ebenfalls aus Alton. Sein früheres Wohnhaus – ein National Historic Landmark – sowie weitere Stätten können im Rahmen einer zweistündigen geführten Tour mit einem Shuttlebus besucht werden, die in Alton regelmäßig angeboten wird. Weitere Informationen hierzu gibt es unter https://www.visitalton.com/pages/shuttle-tours/216.
Lebenslanger Kampf für die Überzeugung
Einige Meilen den Mississippi entlang in Richtung Norden liegt Quincy. Hier lebte ab 1833 Dr. Richard Eells, praktizierender Arzt und Aktivist gegen die Sklaverei. Im Laufe der Jahre soll er mehreren hundert Menschen bei ihrer Flucht aus der Sklaverei geholfen haben. 1842 wurde er bei einer Aktion ertappt und von Richter Stephen A. Douglas, der sich später die Debatten mit Abraham Lincoln liefern sollte, zu einer Geldstrafe verurteilt. Eells legte Widerspruch ein und brachte seinen Fall bis vor den Supreme Court – erfolglos. Seiner Leidenschaft für das große Ziel tat dies jedoch keinen Abbruch. Als Präsident der Illinois Anti-Slavery Party, als Kandidat bei den US-Präsidentschaftswahlen und den Gouverneurswahlen in Illinois setzte er sich bis zu seinem Tod für die Abschaffung der Sklaverei ein.
Erst 2012 wurde das Urteil gegen Dr. Richard Eells aufgehoben. Seine herausragende Stellung im Kampf für seine Überzeugung fand jedoch schon deutlich früher Anerkennung. Sein Wohnhaus in Quincy ist vom National Park Service als bedeutenden Stätte der „Underground Railroad“ von nationaler Bedeutung anerkannt. Das Gebäude beherbergt heute ein Museum und kann immer samstags von 13 bis 16 Uhr besucht werden, hinzu kommen besondere Veranstaltungen. Auch Gruppentouren sind möglich.