Es sind keine zwei Wochen bis Weihnachten, aber im Luftverkehr wird derzeit alles durcheinander gewirbelt. Nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass die EU-Kommission keine kartellrechtlichen Einwände gegen die Übernahme von Teilen der insolventen Air Berlin durch die britische Billigfluggesellschaft Easyjet hat, zog die Lufthansa ihr Gebot für die Air-Berlin- Tochter Niki am Mittwoch zurück, die daraufhin umgehend Insolvenz anmeldete. Aber der Reihe nach.
Gegen die Easyjetpläne in Sachen Air Berlin hatten die Wettbewerbshüter nichts einzuwenden, da dies „einen wirksamen Wettbewerb nicht mindern werde“, wie sich EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ausdrückte. Am Mittwochnachmittag jubelte der Berliner Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup noch, da er in Easyjet einen der führenden Wachstumstreiber für den hauptstädtischen Luftverkehr sieht. Durch das auflagenfreie O.K. aus Brüssel ist es Easyjet nun u.a.möglich, in Tegel bis zu 25 Maschinen zu stationieren. In Schönefeld haben die Briten bereits 12 Flugzeuge.
Denn nach einem Plus von 11,4% im letzten Jahr wird der Luftverkehrsstandort im Osten
Deutschlands wegen der Pleite von Air Berlin 2017 voraussichtlich nur um mickrige 1,3% wachsen.
Da Easyjet von Berlin aus mit Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart auch vier deutsche Ziele ansteuern wird, konnte dies als Indiz dafür gewertet werden, dass der Lufthansa-Deal in Sachen Air Berlin größere Chancen hat, von den Beamten abgenickt zu werden. Denn was sich deutsche
Politiker im Wahlkampfmodus im Spätsommer als wünschenswerten „deutschen Champion“ in den Himmel wünschten, ist bei objektiver Betrachtung eher ein Schreckgespenst, schließlich beherrscht(e) die Lufthansa auch ohne die einstige Nummer 2 Air Berlin bereits 70% des deutschen Marktes und hätte mit einer kompletten Übernahme des einst wichtigsten Konkurrenten monopolartige Marktbedingungen geschaffen.
So war es denn auch nicht verwunderlich, dass aus Brüssel – mehrfach – „ziemlich starke Bedenken“signalisiert wurden, ein erstes Urteil der EU-Kommission wurde für den 21. Dezember erwartet.
Wer nun aber dachte, mit dem Genehmigen des Easyjetgeschäfts sehe es damit wieder besser in Sachen Lufthansa/Niki aus, wurde jedoch schnell eines Besseren belehrt.
Wie die Lufthansa am Mittwoch überraschend mitteilte, hat sie ihr Übernahmeangebot für Niki zurückgezogen, „nach klaren Signalen aus Brüssel“. In ihrer Presseaussendung betonte die deutsche Airline dabei erneut, dass man „umfassende
Zusagen” gemacht habe. Anstatt weiter in Niki zu investieren – die Rede ist von 10 Millionen Euro pro Woche –, konzentriert sich die Lufthansa ab sofort auf „den organischen Kapazitätsaufbau in den Märkten von Niki".
Wirtschaftlich führe dies für die Fluggesellschaft „zu einem vergleichbaren Ergebnis". In der Tat dürfte sich die Lufthansa bei einer totalen Zerschlagung einige Teile des untergehenden Unternehmens, vor allem die begehrten Slots, sichern können. Insofern zeigen die Lufthansamanager – so makaber das klingen mag – Verantwortung für ihr Unternehmen, indem sie eben nicht um jeden Preis bei Niki einsteigen. Deren Namensgeber Niki Lauda, der auch immer wieder als Rückkaufinteressant genannt wurde, sagte ja bereits, dass „eine nicht mehr fliegende Fluggesellschaft billiger zu haben sei als eine fliegende“.
Nur Stunden nachdem damit der Geldhahn für Niki zugedreht wurde, wurde dann Insolvenz am Mittwochabend angemeldet.
Damit scheint das wahr zu werden, wovor der Generalbevollmächtigte von Air Berlin, Frank Kebekus, immer wieder gewarnt hatte: kurz vor Weihnachten würden 1.000 Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren, zehntausende Passagiere stranden und hunderttausende Tickets ihre Gültigkeit verlieren, ein „Flugchaos” drohe.
Sind die Beamten aus Brüssel damit Weihnachtsverderber? Mitnichten. Möge das bevorstehende Weihnachtsfest für viele betroffene Reisende mehr oder weniger unangenehm sein, die Bürokraten können somit vielleicht ein kurz- bis mittelfrsitiges Explodieren der Ticketpreise verhindert haben.
Eine Übernahme von großen Teilen der Air Berlin durch die Lufthansa hätte den Himmel über Deutschland in Lufthansa-gelb getaucht.
Am Mittwochabend wurde dann erneut der Name Thomas Cook als Käufer von Niki ins Spiel
gebracht. Die Chancen hieraus sind aber wohl eher gering, denn diese Airline stieg schon früher aus dem Bieterverfahren aus. Die deutsche Bundesregierung ließ denn auch Regierungssprecher Steffen Seibert erklären, dass alternative Käufer von Niki „trotz allerlei öffentlicher Ankündigungen und intensiven Bemühens“ nicht zur Verfügung „standen und stehen“. Auch der britische IAG-Konzern scheint somit nicht mehr im Spiel sein.
Bitter dürfte das Weihnachtsfest übrigens nicht nur für (dann ehemalige) Niki-Mitarbeiter und zahlreiche Reisende werden. Die Bundesregierung musste nämlich am Mittwoch zugeben, dass durch den „unerwarteten“ Ausfall der Erlöse aus einem Niki-Verkauf der von der Bundesrepublik verbürgte Kredit möglicherweise nur zum Teil zurückgezahlt werden kann. Die Steuerzahler dürfen also auch eine Kerze mehr anzünden und der verbrannten Millionen Euro gedenken.