Das deutsche Nachbarland Österreich wird gegen die geplante Einführung einer PKW-Maut in Deutschland Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen. Das teilte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Donnerstag in Wien mit.
Zur Begründung sagte Leichtfuß, die Maut sei diskriminierend. Zwar werde sie von allen, also auch von deutschen Autofahrern eingezogen. Aber Deutsche erhalten das Geld über Steuerermäßigungen letztlich wieder zurück.
Die Maut, die als Prestigeprojekt der bayrischen CSU gilt, wurde eigentlich schon im März 2015 beschlossen, aber die entsprechenden Gesetze wurden nach Kritiken seitens der EU-Kommission nicht umgesetzt. Vielmehr einigte man sich mit Brüssel auf einen Kompromiss, der weitere Preisstaffelungen, abhängig vom jeweiligen Fahrzeug, vorsieht. Daraufhin segnete der deutsche Bundesrat in diesem Frühjahr das entsprechende Gesetzespaket des Bundestages ab.
Österreich gehörte von Anfang an zu den schärfsten Kritikern der deutschen Mautplanungen. Dabei wendet man sich nicht gegen die Erhebung an sich, schließlich kassiert man selber schon seit 1997 eine entsprechende Nutzungsgebühr von den Autofahrern. Leichtfuß sagte zu der Kompromissentscheidung mit der EU-Kommission, diese habe „beide Augen fest zugedrückt“ und lasse eine Diskriminierung zu, die man „10 Meter gegen den Wind rieche“, weshalb die Klage seiner Regierung auch „eine Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis“ und er sich „für das Recht aller österreichischen Autofahrer und Autofahrerinnen“ einsetze.
Diese scharfe und polemische Rhetorik ist freilich vor dem Hintergrund zu sehen, dass am Sonntag in Österreich ein neues Parlament gewählt wird und die Umfragen für Leichtfuß` SPÖ nichts Gutes verheißen. So gesehen war es vielleicht auch seine letzte Chance, hier als amtierender Verkehrsminister seines Landes zu handeln.
Billigen Populismus muss sich aber auch Alexander Dobrindt, der deutsche Amtskollege des SPÖ-Politkers, vorwerfen lassen. Wer die Vorwürfe des Nachbarlandes als „Ösi-Maut-Maulerei“ abtut, verlässt nicht nur das diplomatische Parkett. Vielleicht ist dieser „Kneipenjargon“ aber auch den Angriffen zuzuschreiben, denen sich Dobrindt im eigenen Land ausgesetzt sieht. Im neu gewählten Bundestag bekennt sich nur die Schwesternpartei CDU zu den Mautplänen, AfD, FDP, Grüne, Linke und SPD lehnen sie in seltener Einträchtigkeit ab. Insofern dürften die Koalitionsverhandlungen auch in diesem Punkt nicht einfach werden. Bei einem Preis – abhängig von Motorgröße und Schadstoffnorm – ab 2,50 € man darf sich nämlich schon fragen, ob abzüglich des Verwaltungsaufwandes überhaupt noch ein Ertrag in den Kassen verbleiben wird oder letztlich nur ein Verwaltungsmonstrum geschaffen wird. Dobrindts Haus geht derweil von jährlichen Einnahmen in Höhe von 500 Millionen € aus. Das wären 0,15% des Bundeshaushaltes 2017. Wie gesagt, das sind die optimistischen Schätzungen des Verkehrsministeriums.
Angesichts der Tatsache, dass mit einer Entscheidung über Österreichs Ende 2018/Anfang 2019 gerechnet wird, fordert die SPD nunmehr, die EuGH-Entscheidung abzuwarten und die Ausschreibung zur Einführung der Maut zumindest vorläufig zu stoppen, bis eine Gerichtsentscheidung vorliege. Sonst endet das politische Prestigeprojekt nicht mit einem Minigewinn, sondern mit einem Millionenverlust. Das sich Tschechien nicht wie ursprünglich geplant der Klage anschließen wird, obwohl Prag die Maut als „nicht ganz fair“ bezeichnete, hat wohl weniger mit den Erfolgsaussichten der Klage zu tun, als mit der Tatsache, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner von Tschechien ist. Zumindest hier findet man mal einen pragmatischen Grund.
Dafür wollen sich die Niederlande der Klage anschließen. Einen endgültigen Beschluss wird die noch nicht vereidigte Regierung voraussichtlich Ende Oktober treffen.
von Stefan Höhm (sh)